Sind wir vegan genug?

In einer nicht veganen Welt, dauert es meist nicht lange, um sich als Veganer outen zu „müssen“. Es wird uns zwar oft unterstellt, dass wir uns damit profilieren wollen und es jedem auf die Nase binden müssen, weil wir Veganer ja so hipp und anders sind. Aber das stimmt in den wenigsten Fällen.
In den meisten Fällen zwingt das nicht vegane Gesellschaftsleben uns dazu, unserem Gegenüber mitzuteilen, dass wir Veganer sind. Punkt. So wie ein Nussallergiker es euch mitteilen würde, dass er die ihm angebotene Nussecke aufgrund seiner Allergie nicht essen kann. Bloß, dass Nüsse in der Gesellschaft lange nicht so allgegenwärtig sind, wie Tierprodukte. Wir kommunizieren das nicht, um anderen ein schlechtes Gewissen zu machen oder sie bekehren zu wollen.

Aus welchen Gründen auch immer man sich für die vegane Lebensweise entschieden hat, es bleibt nicht aus, dass man damit aneckt – und dadurch sogar angefeindet wird. (Dazu arbeite ich noch an einem sehr amüsanten Artikel, ihr dürft euch schon mal freuen.)
Und nicht selten – ja fast immer – kommt dann die Aussage: „Dann darfst du aber auch keine Lederschuhe mehr tragen…“ (Mit gleichzeitigem Blick auf das Schuhwerk)
Ja – das stimmt! Per Definition darf man das dann nicht mehr.

Nach solchen Begegnungen denke ich oft noch lange darüber nach und beschäftige mich mit der Frage, sind wir vegan genug? Wer entscheidet darüber und müssen wir das überhaupt sein?
In Anbetracht der Tatsache, dass das Essen, das die meisten von uns täglich in mindestens drei Mahlzeiten zu sich nehmen, den defintiv größten Anteil an Lebenstil prägenden Handlungen ausmacht, sollten wir über diese Frage eigentlich nicht nachdenken müssen.
Aber es ist ein ganz natürlicher Prozess, dass man nach einer Umstellung auf eine vegane Ernährungsweise den Blick für andere Dinge öffnet und den eigenen Einfluss oder „Fußabdruck“, den man durch den eigenen Konsum verursacht, besser wahrnimmt.

Und so ist das auch bei uns. Spätestens wenn man wieder die Verbindung zu dem Stück Fleisch auf dem Teller und dem einst lebenden Tier, aus dem es stammt, hergestellt hat, fallen einem viele vormals alltägliche Konsumeigenschaften auf, die dann nicht mehr funktionieren. Und das meist wirklich aus rein ethischer Sicht.
Bei uns betrifft das Kleidung, Schuhe, Kosmetik, Möbel, Accessoires etc.

Weg mit allen Tierprodukten! (?)

Wir haben für uns die Entscheidung getroffen, dass wir manche Dinge tierischer Herkunft noch weiter nutzen, aber definitiv keine neuen mehr nachkaufen werden. Das trifft in unserem Fall z.B. auf Lederschuhe, Lederhandtaschen, Seidenkleider, Daunenkissen, Wollpullover und Kosmetikartikel zu, die wir schon besitzen.
Es gibt Ausnahmen: Unsere Lederjacken und ein echtes Kuhfell, das in unserem Wohnzimmer als Teppich diente, haben wir bereits verkauft. Ebenso ein paar Kinderschuhe, die wir nicht mehr brauchen.
(Bezüglich des Kuhfells bin ich übrigens vor Jahren schon einmal ins Straucheln gekommen, als mich der Sohn meiner Freundin (damals 3 Jahre alt) fragte, was mit der Kuh in meinem Wohnzimmer los sei und wo denn ihr Kopf geblieben ist.)

Sind wir vegan genug?

Es wird wohl noch Jahre dauern, bis unsere Wohnung völlig tierfrei ist (ein Lippenstift verbraucht sich nicht in zwei Wochen) und vielleicht werden wir mit unseren heranwachsenden Kindern auf die eine oder anderen veganen /nichtveganen Herausforderungen stoßen.
Und trotzdem würde ich aus Überzeugung sagen: Ja wir sind vegan – so vegan wie wir es sein können und wollen. Wir sind es nicht, um uns mit irgendeinem Label schmücken zu können. Ich bestehe auch nicht darauf, zu einer veganen Community zu gehören (was hier auf dem platten Land sowieso selten bis nicht möglich ist). Ich hänge auch nicht an dem Begriff vegan und nutze ihn lediglich, da es ein prägnanter Begriff ist, der unseren aktuellen Lebensstil beschreibt.
Ja wir sind vegan! Für uns defintiv vegan genug. Wir sind da auch nicht stolz drauf, wir sind es einfach…

2 Comments

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  1. Toller Beitrag! Den Vergleich mit den Lebensmittelunverträglichkeiten finde ich gut und so habe ich es bisher nicht betrachtet.
    In meiner Heimatstadt gab es mal einen Aufschrei der Empörung, weil es auf dem Weihnachtsmarkt auch 2 vegane Fressbuden geben sollte. Da gab es sogar Unterschriftenaktionen! Als gäbe es ein Grundrecht auf ausnahmslos fleischhaltigr Nahrung …

    • Ich verstehe diese ablehnende Haltung auch nicht. Ich mein klar, es gibt auch doofe Veganer, genau wie es doofe Sonstirgendwas gibt. Dazu fällt mir eine Anekdote einer Forumsuserin ein: Sie wollte für ein Kindergartenfest eine vegetarische Alternative zu Würstchen anbieten, worauf hin ein Vater sagte: „Aber bloß nicht vegan, das isst ja dann wieder keiner.“ Sie: „ja genau, so wie Pommes“ *Schweigen*
      Interessant, welche Vorstellungen von veganem Essen in den Köpfen vorherrscht.

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