Bedürfnisorientierte Erziehung // Baby Led Weaning – Oder wie Mama lernt, die Nerven zu behalten (Teil 1)

Letzte Woche sprach mich eine liebe Mama im Kindergarten an: „Du hast doch auch dieses Baby Led Weaning gemacht. Wie hast du das denn ausgehalten?“
Ich wusste sofort was sie meint und musste ein bisschen schmunzeln, und mich gleichzeitig an die zahlreichen Momente erinnern, in denen mir der Kaltschweiß auf der Stirn stand.
„Ja man muss lernen, auszuhalten, sich selbst zu kontrollieren und vor allem ganz viel Vertrauen in das Kind zu haben.“

Ich dachte noch eine Weile darüber nach. Beikoststart ist bei meinem Kleinen nun auch schon fast ein Jahr her und es scheint für mich schon so weit weg. Ich erinnere mich aber noch an die Beikosteinführung des Großen, wie aufregend es damals für mich war – vor allem, da wir hier nicht den „empfohlenen“ Weg gegangen sind, sondern unser Kind haben entscheiden lassen.
Ich dachte mir: Vielleicht stecken gerade viele (frische) Mamas in der spannenden Phase oder sie machen sich vielleicht schon ein paar Gedanken dazu, wie es dann man werden soll, wenn es soweit ist.
Oder es gibt Mamas, deren Kinder einfach nicht essen wollen, die sich deshalb große Sorgen machen.
All jenen ist dieser Artikel rund um die Beikostalternative „Baby Led Weaning“ gewidmet. Viel Spaß beim Lesen.

Beikost – (m)eine Definition

Wenn man sich mit dem Thema Beikosteinführung beschäftigt, sollte man meiner Meinung zunächst überlegen, was der Begriff „Beikost“ überhaupt bedeutet. In meiner Definition (und in der der WHO – Weltgesundheitsorganisation) bedeutet es BEIkost, also zusätzliche Nahrungsmittel zum Stillen (oder der Flasche – ich sage nun der Einfachheit halber Stillen, es ist nicht wertend gemeint). Stillen ist im ersten Lebensjahr das HAUPTnahrungsmittel und die Beikost ergänzt diese sozusagen. Ich möchte an dieser Stelle nochmal erwähnen, dass gemäß der WHO Leitlinien ausschließliches Stillen bis zum 7. Lebensmonat empfohlen wird und anschließendes (Teil-)stillen bis zum 3. Lebensjahr oder auch darüber hinaus.

Was heißt das nun in der Praxis?
In erster Linie bedeutet das, dass sich, wenn man sich an die Empfehlungen der Kinderlebensmittelindustrie hält, die einen Beikoststart ab den 4. Monat empfiehlt, die allerwenigsten Kinder so früh abstillen lassen. Punkt. Es bedeutet ferner, dass es ganz viele Kinder gibt, die in diesem Alter noch überhaupt nichts „Festes“ essen wollen. Und das ist normal und gut so!
Solange sich ein Kind altersgerecht entwickelt und ausreichend zunimmt, ist ein Beikoststart grob gesagt zu jeder Zeit ab dem zweiten Lebenshalbjahr möglich und natürlich. Zu jeder Zeit! Vielleicht also auch erst mit 10 oder 11 Monaten. Das gibt es tatsächlich und ist nicht pathologisch, wie gesagt, so lange das Kind gut gedeiht.

Wann ist denn der richtige Zeitpunkt für den Beikoststart?

Wie bei wirklich allen Entwicklungsschritten eines kleinen Menschen, ist auch der Zeitpunkt der Beikostreife sehr individuell und unterschiedlich. Es gibt Kinder, die wollen und können schon ein bisschen früher als 6 Monate essen, und es gibt Kinder, die rühren das Essen erst kurz vor dem ersten Geburtstag an. Zum Glück gibt es aber die sogenannten Beikostreifezeichen, auf die man achten kann. Wobei ich auch hier sagen muss, dass es meiner Meinung nach nur ein wirklich handfestes Beikostreifezeichen gibt, auf das man sich dann hundertprozentig verlassen kann:

Das Baby nimmt das Essen, steckt es in den Mund und isst es. Tadaaa!

Zeichen die nicht unbedingt auf Beikostreife hindeuten sind:

  • Kind starrt auf das Essen
  • Kind starrt auf essende Eltern
  • Kind macht parallel dazu Kaubewegungen
  • Kind hat Zähne
  • Kind hat keine Zähne
  • Kind schläft nicht durch
  • Kind schläft durch
  • Kind ist schwer
  • Kind ist leicht (entwickelt sich aber normal auf seiner Perzentile)
  • Kind saugt Brei vom Löffel in einer halbliegenden Position
  • uvm.

Damit ein Kind essen kann, und dabei geht es jetzt nicht primär um Brei oder nicht Brei, müssen bestimmte Entwicklungsschritte abgeschlossen sein. In erster Linie muss der kindliche Magen-Darm-Trakt bereit sein, das Essen verdauen zu können. In zweiter Linie muss die Mundmotorik so ausgereift sein, dass das Kind sich nicht verschluckt. Ein bester Indikator dafür ist der sogenannte Zungenstoßreflex. Wenn ein Kind noch nicht bereit zum Essen ist, schiebt es mit der Zunge reflexartig das Essen oder den Löffel aus dem Mund heraus. Das ist der sicherste Beweis, dass dein Kind noch nicht essen möchte oder kann.
Ein weiteres Zeichen für die allgemeine körperliche Entwicklung und der einhergehenden Beikostreife ist das aufrechte Sitzen (mit etwas Unterstützung).

Aber es gibt eben auch Kinder, die alle Reifezeichen erfüllen und trotzdem nicht essen wollen. Deshalb mein Tipp: Vertraut auf das oben dargestellte, sichere Reifezeichen! Das Kind will essen, wenn es isst!

Ich weiß es aus Erfahrung und habe dabei zwei ganz unterschiedlich „gute“ Esser auf ihrem Weg zur festen Nahrungsaufnahme begleitet.
Der Große war motorisch eher durchschnittlich entwickelt und musste lange beim Sitzen unterstützt werden, dennoch aß er mit 7 Monaten größere Pasta-Portionen als ich.
Der Kleine konnte sich mit gut 6 Monaten schon ganz alleine hinsetzen. Krabbelte mit 7 Monaten, lief mit 9,5 und fing mit 10 Monaten ENDLICH an zu essen.

Es hatte für mich den Anschein, als ob sie beide ganz unterschiedliche Prioritäten in ihrer Entwicklung hatten. Ein Freund von mir sagte einst: „Der Tag eines Babys hat auch nur 24 Stunden und sie müssen so viel lernen, die einen lernen eben erst mal essen, die anderen erst mal laufen.“ Wie recht er damit hatte.

Brei oder nicht Brei – das ist hier die Frage!

Eltern machen sich oft ganz viele Gedanken zu den ganz unterschiedlichen Dingen, schmieden Pläne, wälzen Ratgeber, diskutieren mit dem Partner etc. Und dann? Kommt das Kind und hat so ganz andere Ideen.
„Ich koche den Brei nur selbst!“ – Kind will nur Gläschen…
„Gläschen sind so praktisch“ – Kind will nur selbstgekochten Brei…
„Ich gebe Brei, selbstgekocht und unterwegs auch mal ein Gläschen“ Kind isst gar keinen Brei…
„Mein Baby bekommt Fingerfood und Brei in Kombination“ Kind isst nichts….
Undsoweiterundsofort

Als ich mich vor etwa 7 Jahren mit der Thematik zum ersten Mal beschäftigt habe, war das sogenannte „Baby Led Weaning“ für mich das absolute Nonplusultra. Ich war so fasziniert von dieser Art der selbstbestimmten, Beikosteinführung bzw. Entwöhnung von der Milch, dass ich mir niemals vorstellen konnte, je ein Kind zu füttern. (Wie ich dann aber auch hier meine Grundsätze bei Kind Nummer Zwei über Bord warf, erfahrt ihr in Teil 2.)

Was ist Baby Led Weaning?

Wörtlich übersetzt bedeutet es „Baby gesteuerte Entwöhnung (von der Milch)“.
Der Baby Led Weaning-Ansatz geht dabei so weit, dass das Kind vollkommen selbstständig bestimmt, wann es wie viel isst und es isst auch ganz alleine. Es wird also nicht gefüttert, weder mit Brei, noch mit festem Essen. Letztlich bestimmt es auch was es isst, wobei natürlich hier eine Vorauswahl durch die Eltern getroffen wird.

Das Kind isst dabei von Beginn an am Familientisch mit. Man sollte also beim Kochen darauf achten, dass etwas für das Baby dabei ist, was es theoretisch essen kann (ob es das auch macht, ist wiederum ne ganz andere Sache).

Wie kann ein 6 Monate altes Baby alleine essen?

Ein Baby ist natürlich noch nicht in der Lage sein Essen mit Messer und Gabel zu essen, oder auch einen Löffel sicher zum Mund zu führen. Es isst mit den Fingern!
Dabei muss man zunächst sicher gehen, dass das Baby in der Lage ist, das Essen greifen zu können. Viele Kinder beherrschen zu Beginn noch nicht den Pinzettengriff. Also muss das Essen so gestaltet werden, dass das Baby es greifen kann. Folgendes ist möglich:

  • Sticks, die so lang sind, dass sie aus dem Fäustchen rausschauen
  • pappiger Brei (z.B. Kartoffelbrei), den das Kind mit der Hand nehmen kann (Baby Led Weaning muss nicht breifrei bedeuten, sondern lediglich, dass man das Kind nicht füttert)
  • Kugeliges Obst, das nicht in der Faust verschwindet

Weiterhin sollte das Essen des Babies salz- und möglichst zuckerfrei sein. Ansonsten gibt es kaum eine Regel, welches Essen man dem Baby anbieten kann. Sogar Kräuter und Gewürze werden von Babies gerne genommen – auch Pfeffer.

Küchenschlacht  – K oder K?

„Ist das nicht ne furchtbare Sauerei, wenn ein Baby alleine essen lernt?“
Ja das ist es und man wirft auch recht viele Lebensmittel weg – leider. 
Wobei das aber bei Breikindern oft nicht anders ist.
Bei uns gab es nach dem Essen immer die Frage: „K oder K?“ „Kind oder Küche?“ Denn beides sah nach jeder Mahlzeit äußerst renovierungsbedürftig aus.
Rückblickend muss ich aber sagen, dass ich den Eindruck hatte, dass wir weniger Arbeit rund um das Thema Beikosteinführung hatten, als Eltern die herkömmlich „gefüttert“ habe.
Wir haben die extra Zubereitung des Breis gespart, ebenso das Füttern an sich. Wir konnten immer gemeinsam Essen, was als Familienerfahrung einfach schön ist. Und wir waren dabei sehr entspannt. Bei Restaurantbesuchen mussten wir nichts vorher einpacken, unterwegs gab es immer irgendwas.

Wir haben dank Baby Led Weaning die Zeit der Beikosteinführung unserer beiden, so unterschiedlichen Kinder, als sehr faszinierende und lehrreiche Zeit empfunde, die wir dennoch sehr entspannt überstanden haben. Vor allem, dass sich diese Art der Beikosteinführung mir unseren Prinzipen der bedürfnisorientierten Erziehung vereinbaren ließ, hat uns von Beginn an überzeugt und wir würden uns immer wieder dazu entscheiden.

Erfahre im Zweiten Teil, wie man BLW im Restaurant oder auf Reisen praktiziert, welche kleinen Tricks dir das Leben leichter machen und wie man ganz entspannt seinen eigenen Weg durch die Wirren der Beikosteinführung findet.

Du hast noch Fragen zu diesem Thema oder selbst ein paar Tipps, die du teilen möchtest? Schreib einen Kommentar! Ich freue mich drüber!

Ich wünsche dir einen tollen Tag und treffe gute Entscheidungen!

unterschrift-klein

2 Comments

·

Leave a Reply

  1. Schöner Artikel! Das Thema gibt’s auch oft bei uns in der Stillgruppe.
    Meine beiden Kinder haben ein ganz unterschiedliches Essverhalten. Die Große hat früh und gut Gläschen gegessen, nichts selbstgekochtes. Der Kleine ißt nichts püriertes und eher überschaubare Mengen. Beide sind/waren aber auch absolute Stilljunkys.

    • Es ist wirklich spannend, wie unterschiedlich Geschwister sein können. Ich denke der Große hätte sich auch gut füttern lassen, aber er hat auch so richtig gut gegessen. Der Kleine wollte schon immer alles alleine machen, auch das Essen… Auch wenn er das recht spät angefangen hat. Vielleicht gibt es aber auch einen Zusammenhang mit dem Stillen. Der Große wurde ja nicht lange gestillt und der Kleine wird immer noch gestillt.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.