Bedürfnisorientierte Erziehung // Baby Led Weaning – Oder wie Mama lernt die Nerven zu behalten (Teil 2)

Im ersten Teil habe ich euch von den Grundsätzen der alternativen Beikosteinführung „Baby Led Weaning“ berichtet. Erfahrt im zweiten Teil, wie man BLW unterwegs praktizieren kann und wie man mit praktischen Tipps eine Menge Zeit und Nerven spart. Außerdem ermutige ich euch, ganz undogmatisch euren eigenen Weg zu finden.

BLW auf Reisen

Gerade unterwegs finde ich BLW einfach unglaublich praktisch. Ich habe bisher auf jeder Speisekarte etwas gefunden, das das Baby essen kann (genauso wie für uns seit wir uns pflanzlich ernähren). Die meisten Restaurants sind auch bereit, extra Gemüsesticks ohne Salz zuzubereiten, ebenso Kartoffeln etc. Nudeln gibt es auch immer und überall.
Was manchmal ein bisschen unangenehm sein kann, ist dass es unterm Tisch ähnlich wüst aussieht wie zu Hause nach ner Mahlzeit. Also taucht Mama (und/oder Papa) unter den Tisch und macht wenigstens grob sauber.

Bei unserer 2-monatigen Reise durch die USA sind wir regelmäßig vom Saubermachen abgehalten worden. Das gehörte da irgendwie zum Customer Service. In Deutschland haben unsere Putzveranstaltungen unter Restauranttischen irgendwie größeren Anklang gefunden. Aber auch hier ist die Devise: Mit Höflichkeit kommt man weit und es lässt sich alles saubermachen!

Da die Milch immer noch Hauptnahrungsquelle ist, kann es unterwegs auch praktisch sein, wenn man eine Mahlzeit mit Milch überbrücken kann. Das ist auf Reisen unschlagbar, vor allem wenn man stillt und somit alles „Notwendige“ wohl temperiert dabei hat.

BLW und Stillen

Das bringt mich zu einem weiteren interessanten Punkt im Bezug auf BLW: Das Stillen. Oft werde ich gefragt, ob man vor oder nach einer Mahlzeit stillen soll.
In der konventionellen Beikosteinführung wird meist nach der Breimahlzeit gestillt, da hier oft auch das gleichzeitige Ersetzen von Still-Mahlzeiten im Vordergrund steht. Bei BLW ist das umgekehrt. Es geht nicht um das schnelle Ersetzen der Milchmahlzeiten, sondern um das (Kennen-) Lernen von Essen mit allen Sinnen.

Aus diesem Grund empfehle ich, das Kind vor der Mahlzeit zu stillen, damit es satt und zufrieden ist. So kann es ausdauernd essen üben, ohne frustriert zu sein, dass es noch nicht in der Lage ist, seinen Hunger mit dem Essen zu stillen.
Je sicherer das Baby isst und je mehr Nahrung tatsächlich IM Kind landet, desto weniger oft will es mit der Zeit gestillt werden. Aber auch da gibt es große, sehr große, individuelle Unterschiede zwischen den Kindern. Es ist eben ein selbstbestimmter Weg, den das Kind geht, aber ich bin sicher, dass es von dieser Erfahrung ein Leben lang profitieren wird.

BLW und Veganismus

Kann man BLW mit einem vegan ernährten Kind betreiben? Fehlen ihm dann nicht Nährstoffe? Ich kann hier aus meiner eigenen Erfahrung sagen: Das vereint sich ganz wunderbar und das Kind leidet nicht an einem Nährstoffmangel, vorausgesetzt die stillende Mutter ernährt sich ausgewogen und supplementiert ausreichend Vitamin B12.
Wer als Mama sicher sein möchte, lässt seine Blutwerte checken. Sofern diese in Ordnung sind, kann man davon ausgehen, dass auch das Kind ausreichend versorgt ist.

Sobald die Milchmahlzeiten nennenswert reduziert werden, sollte das Kind selbst ein B12 Präparat erhalten. Wir sind auf B12 in Tropfenform umgestiegen, was wunderbar funktioniert.
Überhaupt empfehle ich veganen Frauen, möglichst lange zu stillen. Einen ganz großen Teil der sogenannten „kritischen Nährstoffe“ erhält das Kind über die Muttermilch, auch wenn es schon älter ist. Einen Artikel zur Ernährung in der Stillzeit plane ich auch noch.

Tipps und Tricks

Nach vier Jahren Erfahrung und zwei BLW Kindern, die noch leben und nicht erstickt sind, haben sich einige Tricks etabliert, die uns das Leben leichter gemacht haben. Diese möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten:

  1. Für Mahlzeiten extra viel Zeit einplanen: Zu Beginn dauert eine Mahlzeit mit einem BLW-Kind gerne mal 60 Minuten oder länger. Aus diesem Grund haben wir zu Beginn eine Mahlzeit zum Üben bestimmt. Meistens war es das Frühstück, denn…
  2. Das Kind sollte niemals nicht müde sein, sonst landet die Tomatensauce in den Haaren, in den Augen oder sonst wo, aber garantiert nicht im quengelnden Kind. Es hat darüber hinaus auch nicht so richtig Lust zum Essen. Es ist ja quasi (noch) eine Art Spiel für das Kind.
  3. Ganzkörperlätzchen sind eine gute Investition. Zunächst hatten wir welche vom Schweden, die aus einem dünnen Kunststoff waren. Diese sind aber nicht ganz dicht und irgendwann nässen sie durch. Stärker gummierte Lätzchen sind auch nicht zu empfehlen, da sie oft sehr steif sind und das Kind keine Bewegungsfreiheit darin hat. Außerdem lenkt das Geknister ab. Letztlich fanden wir Ärmellätzchen aus Frottee am besten. Die sind bequem, erstaunlich dicht und einfach nicht aus Plastik, was immer gut ist.
  4. Keine Mühe mit dem Teller: Am Anfang fliegt der Teller meist runter. Wir haben zu Beginn das Essen auf den sauberen Tisch gelegt. Ohne Teller, ohne Besteck: Hat super geklappt.
  5. Schreibtischunterlage als „sterile“ Fläche unter dem Tisch: Ich hab bereits erwähnt, dass man leider sehr viel wegwirft. Um diesem etwas vorzubeugen haben wir eine Schreibttischunterlagen (also eine, auf der der Bürostuhl steht) gekauft und diese immer sehr sauber gehalten (Beim Großen mehr – beim Kleinen weniger). Alles Essen, das darauf gelandet ist, haben wir wieder zurück auf den Tisch gelegt und wieder „verwehrtet“.
  6. Suppe mit Toaststicks zum dippen: Da wir große Suppenliebhaber sind, haben wir für die Kinder immer eine Schale mit Suppe aufgestellt und Toaststreifen reingestellt. Diese haben sich dann mit Suppe vollgesaugt und konnten so verspeist werden. Überhaupt lernen die Kindern unglaublich schnell, wie toll es ist, sein Essen zu dippen.

BLW ganz undogmatisch – Finde deinen Weg!

Natürlich ist es so, dass man als Eltern sich immer für einen Weg entscheidet, weil dieser gefühlt der beste und wohl auch einzig richtige ist. Darum hat man sich ja dazu entschieden und gegen einen anderen. Ich finde aber auch, dass hier oft mit sehr viel Dogmatismus herangegangen wird. Davon war/bin ich auch nicht frei.

Unser Großer war ein wahres BLW Vorzeigekind. Er zeigte so viel Freude am Essen und konnte es dank seiner extrem guten Fein- und Mundmotorik auch schon sehr schnell. Dabei hat er Portionen gefuttert, die einen Schwarzenegger wohl vor Neid erblassen ließen. Damals habe ich nicht verstanden, wie Mütter etwas anderes als BLW praktizieren können – es ist doch so schön einfach!

Bis ich mich knapp 3 Jahre später dabei ertappte, meinem Kleinen nach 7 Monaten Essensverweigerung versucht habe, Essen auf dem Löffel anzubieten. „Vielleicht braucht er den Brei, vielleicht ist es eben ein Breikind?“, dachte ich.
Brauchte er nicht – er war einfach noch nicht so weit und letztlich wollte er auch nicht gefüttert werden. Was ich aber damit sagen möchte ist, dass es durchaus Kinder gibt, die gerne gefüttert werden. Die trotzdem nach Bedarf weitergestillt werden etc.

Oder es gibt Mischformen aus Brei und Fingerfood. Alles ist gut! Alles ist richtig! So lange man die Signale des Babys erkennt und seine Bedürfnisse ernst nimmt und respektiert. Für uns hat BLW zweimal gepasst wie die Faust aufs Auge, aber das kann bei der Nummer 3 ja vielleicht auch anders sein….

Ihr wisst am besten, was eure Kinder brauchen. Wenn ihr es noch nicht wisst, werdet ihr aber zumindest diejenigen sein, die es zuerst rausfinden werden! Und das bestimmt mit ganz viel Liebe und Geduld!

Habt einen wundervollen Tag und trefft großartige Entscheidungen

unterschrift-klein

5 Comments

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  1. Hallo Stephi!
    Ein schöner, motivierender Artikel – gerade wenn’s noch nicht so läuft. 😅 Mein Kleiner will zwar schon unbedingt essen und reißt mir alles aus der Hand (oder packt im Zweifelsfall einfach meine Hand und füttert sich dann so irgendwie selbst), kann mit seinen 6 Monaten aber noch nicht alleine sitzen. Aktuell löse ich es deshalb so, dass er etwas abbekommt, wenn ich ihn auf dem Arm habe und eine Erdbeere, Banane o. ä. esse. Am Tisch soll er aber erst mitessen, wenn er im Hochstuhl sitzen kann, auf dem Schoß funktioniert das für mich nicht. Nicht direkt BLW, aber das was für uns bisher ganz gut passt. 😊
    Vitamin B12 zu supplementieren, steht bei uns dann ja auch bald an. Kannst du ein bestimmtes Präparat empfehlen, das auch für Babys geeignet ist? Ich habe mal gehört, die von Ankermann fänden häufig Verwendung, aber die enthalten wohl Alkohol und hormonähnliche Substanzen? 😳 Außerdem habe ich auch gelesen, Cyanocobalamin sei gegenüber Methylcobalamin insofern empfehlenswerter, dass genauere Kenntnis über die empfohlende Dosierung vorhanden ist?

    Viele Grüße
    Sarah-Lena

    • Hallo Sarah-Lena,

      danke für deinen Erfahrungsbericht. Das klingt nach einem entspannten und stimmigen Beikoststart bei euch.
      Zum B12: Ich nutze für die Kinder das Methylcobalamin in Tropfenform vin der Reinhildis Apotheke. Es stimmt schon, dass die Zufuhrempfehlungen auf Cyancobalamin ausgelegt sind, jedoch ist das Methylcobalamin besser verwertbar, also die schon aktive Form. Da es sich bei dem Vitamin um ein wasserlösliches handelt, ist eine Überdosierung nicht möglich. Im Zweifel kann man also etwas mehr geben.
      Ich selbst nehme die Lutschtabletten von Jarrows (auch Methyl) habe auch auch noch Cyancobalamin in meinen Schwangerschaftsvitaminen derzeit. Meine Werte sind Top.
      Ich hoffe ich konnte ein bisschen weiterhelfen.

      Liebe Grüße Stephi

      • Hallo Stephi,
        danke für den Tipp! Du hast mir damit schon sehr durch den Dschungel an Supplementen geholfen.
        Wie viele Tropfen gibst du deinen Kindern?

        Viele Grüße
        Sarah-Lena

        • Sie bekommen von mir täglich 1-2 Tropfen. Je Tropfen sind das 200 µg. Dabei gehe ich auf Nummer Sicher. Manchmal verweigern sie oder es geht vergessen, das ist dann aber auch kein Problem bei dieser Dosierung.

          Liebste Grüße

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